Ein Interview mit Fritz Jurmann in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft im Dezember 2020.
Unglaublich, welche Fülle von Aufgaben der in Graz lebende Dornbirner Thomas Platzgummer bewältigt, als Musiker und Musikvermittler. Dennoch wirkt er nie gestresst und hat sich auch seinen sonnigen Humor bewahrt.
Bei Ihren vielen Terminen sollten Sie stets perfekt organisiert sein. Kommen Sie nie zu spät? Eigentlich nicht. Ich bin gern früh da und bereite mich noch auf die Aufgabe vor. Zum Glück vergesse ich, sobald ich etwas tue, was ich alles noch nicht gemacht habe und schon lange erledigt gehört würde. Das ist beim Dirigieren genauso wie beim Cello spielen oder wenn ich mit meiner Familie bin.
In Vorarlberg kennt man Sie unter anderem als Mitbegründer und Mitdenker im Barockorchester Concerto Stella Matutina. Was sind dort Ihre Aufgaben? Das CSM ist wahrlich ein Glücksfall – für uns Musiker, das Publikum, Vorarlberg, die gesamte Bodenseeregion und auch für die internationale Barockszene. Hier treffen musiktheoretisches Wissen, historischer Forschergeist, enthusiastischer Ausdruckswillen und freundschaftliches Miteinander auf außergewöhnliche Weise aufeinander. Bernhard Lampert ist ein großartiger Bündler der Kräfte und weiß es, die Stärken der einzelnen Mitglieder so einzubauen, dass ein wunderbares Ganzes entsteht. So wechselt auch meine Rolle ständig vom Cellisten zum Dirigenten, vom Moderator zum Dramaturgen, vom Regisseur zum Korrekturleser, vom Operndirektor zum Orgelschlepper.
2014 haben Sie mit Miriam Feuersinger die Reihe „Bachkantaten in Vorarlberg“ gegründet und als musikalischer Leiter weiterentwickelt. Bei der Vielfalt von Bachs Kantaten ist da wohl noch kein Ende abzusehen? Bachs Kantaten sind einfach durchwegs großartige Musik und so lange so tolle MusikerInnen kommen und wir ein stets wachsendes Publikum dafür haben, das mit uns gemeinsam diese intensiven Bach-Wochenenden feiert, werden wir mit Freuden weitermachen!
Ihre Eigenschaften auf den Nenner gebracht: Cello spielen haben Sie unter anderem bei Heinrich Schiff, Barockcello bei Nikolaus Harnoncourt, das Dirigieren an den Unis in Salzburg und Wien, die Risikofreude bei Hermann Nitsch und seinem Orgien-Mysterien-Theater gelernt? Das sind natürlich großartige und wichtige Musikerpersönlichkeiten, denen zu begegnen mir viel bedeutet hat. Aber hier mag ich jetzt mal eine Lanze für die vielen Pädagogen brechen, die wirklich einen Musiker machen, ihm das Handwerk lernen und ihn von Grund auf prägen. Menschen, die fördern und Grundinteresse wecken, wie bei mir an der Musikhauptschule Dornbirn und am Musikgymnasium Feldkirch, Werner Zudrell, Annick Gautier und Rudolf Leopold am Cello oder Guntram Simma als Dirigent und Musiker.
In der Steiermark haben Sie auch Ihre Liebe zur heute gerne belächelten Operette entdeckt und die Murauer Operettenfestspiele ins Leben gerufen? Die Operette habe ich anfangs als durchschnittlich gebildeter Musikstudent nicht wirklich ernst genommen. Langsam bin ich dann aber in dieses Genre hineingewachsen. Ich liebe es, emotional gepackt zu werden, egal aus welcher Zeit gut gemachte Musik kommt.
Wenn man Ihre Biografie liest mit dem Dirigat unzähliger Orchester und der Zusammenarbeit mit bekannten Solisten, fragt man sich: Sind Sie in der Musikszene wirklich der „Mann für alle Fälle“, der „Figaro“, der mit seiner Routine jede Situation bewältigt? Ja, vielleicht. Cecilia Bernardini hat mich bei unserer Beethoven-Produktion im Oktober begeistert als „Stand-up-Conductor“ bezeichnet, weil wir ihr bis direkt vor dem Konzert anbieten konnten, mit oder ohne Dirigent aufzutreten. Das geht natürlich nur, wenn man flexibel sein will und kann. Da macht man dann, was dem Projekt künstlerisch am meisten dient.
Wie sind Sie persönlich mit der Pandemie und dem Lockdown umgegangen, welche Erkenntnisse haben Sie daraus gewonnen? Ich bin dankbar, in dieser Situation nicht um meine Existenz bangen zu müssen und so kann ich ihr auch etwas Positives abgewinnen. Das Leben ein wenig verlangsamen, ein bisschen mehr Zeit haben für Familie und Natur. Tischtennis spiele ich auch wieder besser. Und trotzdem habe ich durchgehend weiterarbeiten können und an Dingen gefeilt, die hoffentlich bald wieder realisiert werden dürfen. Im Allgemeinen hat es sich gezeigt, dass Projekten wie CSM, die von den Musikerinnen und Musikern selbst organisiert und gestaltet werden, die Zukunft gehört und hinter denen nicht ein riesiger Betrieb steht, der unglaublich viel Geld wegfrisst.